Eine reine Verwerterreform? (Art. 13)
Unter #SaveYourInternet und anderen Schlagworten hat sich über die letzten Wochen und Monate der Widerstand gegen die europäische Urheberrechtsnovelle (gemeinhin bekannt als urspr. Art. 11-13) vereinigt.
Wie wir jetzt wissen – erfolglos. Eine letzte Chance ist noch, dass die Länder die Sache im Europarat ablehnen, wenn ich das richtig verstanden habe. Aber davon gehe ich leider nicht mehr aus.
In der Diskussion dazu gab es von beiden Seiten (Befürworter und Gegner) viele gute Argumente und viel Desinformation. Gerade die Desinformation ist ein großes Problem. Oder wenn YouTuber ins Fernsehen (Maybrit Illner vom 28.3.2019 in der Mediathek, wen es interessiert) gezerrt werden und dann – zwar argumentativ im Kern richtig – in der tonalen Schublade von »das ist aber Scheiße« wühlen. Argumente sind leider oft nur so gut wie die Rhetorik desjenigen, der sie vorbringt.
Ich bezeichne mich selbst als Gegner der Reform. Nicht etwa, weil ich gegen das Urheberrecht bin – das Gegenteil ist der Fall. Aber die Reform tut leider nichts für das Urheberrecht. Geschütztes Material zu verbreiten war schon immer illegal. Bleibt es auch nach der Novelle. Daran ändert sich also nichts.
Warum feiern dann gerade die großen Verwertungsgesellschaften wie Verlagshäuser, VG Wort usw. diese Reform?
Ganz einfach: Ab jetzt verdienen sie wieder mit.
Ich unterstelle hier etwas, ich weiß. Aber bisher konnte mir noch niemand das Gegenteil beweisen. Bei dieser Reform geht es einzig und allein darum, die »Big Player« des »alten« Systems finanziell zu beteiligen. Nicht die Urheber, die Verwerter.
Hä? Stephan, das klingt jetzt wirklich sehr seltsam.
Spielen wir es durch.
Sagen wir, ich bin ein »Journalist« bei der Bild (und ja, die »« sind da gerechtfertigt). Ich bekomme also ein Gehalt und Bild per Vertrag die Nutzungsrechte an meinem Artikel. Die Urheberschaft erhält Bild nicht. Die Urheberschaft ist in Deutschland per Gesetz unveräußerlich. Wenn ich einen Artikel, Roman, Gedicht, Songtext usw. schreibe, bin ich der Urheber. Und wer das Ding außer mir noch nutzen und vervielfältigen/teilen möchte, muss mich für die Nutzungsrechte entlohnen.
Auftritt Internet. Ich schreibe also für Bild (schüttel). Bekomme mein Gehalt. Der Text – vermutlich irgend ein hassverseuchtes, am rechten Rand fischendes Hysterieding – wird auf der Webseite (die ich nicht verlinke) veröffentlicht. Alles tutti. Dafür wurde ich ja per monatlichem Gehalt bezahlt. Bild finanziert sich auch durch Werbung. Je mehr den Artikel lesen und klicken usw. Jetzt teilt jemand den Text auf Facebook. Da bekommt Bild kein Geld mehr. Doof für Bild und auch nicht richtig. Ich selbst merke davon aber nichts, hab ja mein Gehalt.
Das ist jetzt ganz rudimentär dargestellt. Natürlich gibt es noch zig andere Formen, wie Journalisten (diesmal gehen wir von echten aus) bezahlt werden. Per Zeile, auf Artikelbasis. Manche vielleicht sogar auf Klickbasis, was ich ihnen nicht wünsche, aber gibt es bestimmt.
Aber wenn man hinsieht, merkt man, dass nachdem der Artikel veröffentlicht ist, ja eigentlich nur noch die Verwerter daran verdienen. Hmmm.
Und die machen sich dafür stark, dass Google und Co. Lizenzen erwerben müssen, wenn sie Inhalte von ihnen teilen wollen. Klingt doch eigentlich fair. Das Problem: Die Urheber spielen in dieser Gleichung erst einmal keine Rolle.
Enno Park hat das wunderbar auf Twitter zusammengefasst. Ich will es hier noch einmal aufgreifen.
So war es früher. Heute hat man die Möglichkeit, im Selfpublishing zu veröffentlichen. Man schaltet die Werbung selbst, kümmert sich um die Verbreitung, die Herstellung – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, aber so läuft es dann eben ab. Man ist seine eigene One-WoMan-Show.
Machst du gute Inhalte, wirst du (vielleicht) gesehen und geteilt. Deine Sachen werden gekauft, du verdienst Geld.
Das wird mit der Reform vermutlich deutlich schwieriger.
Durch die Reform werden Google und Co. direkt haftbar, wenn urheberrechtlich geschütztes Material auf ihren Seiten auftaucht. Klingt ja super, warum sollte man von KleinKevin Geld holen, wenn YouTube doch so viel mehr Kohle hat. Her damit!
Darum werden Google, Facebook und Co. sich Uploadfilter anschaffen. Wer will schon für KleinKevins Videos haften? Ich sicher auch nicht. Und dann zieht der Uploadfilter erst einmal jedes Posting durch sein engmaschiges Netz. Ist da ein Bild, das geschützt ist? Ein Stück Musik? Ein Zitat? Usw. Die Dinger werden nicht gut funktionieren. Denn, um zu funktionieren, brauchen sie ja das Referenzmuster, nach dem sie filtern können. Haben sie das nicht, erkennen sie auch die Urheberrechtsverletzung nicht. Das ist schon einmal ein Problem.
Wie die Lösung hierfür aussieht, konnte bisher noch keiner nennen.
Im schlimmsten Fall blocken sie einfach alles, wofür sie keinen Lizenzvertrag haben.
Im besten Fall übertragen sie die Haftung einfach per Nutzungsbedingungen auf KleinKevin.
Womöglich durchsucht der Filter aber auch einfach das Netz und blockt nach »bestem Wissen und Gewissen«.
Gehen wir mal von diesem Beitrag aus. Ich teile ihn auf Facebook und auf Twitter. Und vielleicht auch noch auf Instagram. Instagram und Facebook könnten noch wissen, dass hinter den beiden Accounts immer ich stehe. Aber Twitter sollte eigentlich nicht zwingend wissen, dass meine Profile zusammengehören. Also wird Twitter denken, dass ich ein urheberrechtlich geschütztes Dokument verbreiten möchte und es blocken. Die Lösung ist ja einfach: Der gläserne Nutzer. Alle Social Media Kanäle vernetzt und … DSGVO sagt Nein. ;)
Und das sind jetzt nur die großen Seiten. Ich möchte eine Leseprobe auf mehreren kleineren Diskussionsforen teilen? Das wird nicht klappen. Kleinere Foren könnten schon bald alle aussterben. Ich möchte Werbung mit dem Coverbild machen? Hmmm, doof, das Bild ist aus einigen Stockfotos – die ich gekauft habe – zusammengesetzt, aber der Filter kennt die Einzelbilder und lässt sich von einer Collage nicht austricksen. Das Cover wird immer gesperrt.
Niemand sieht mein Buch.
Niemand kauft mein Buch.
Wie Enno Park (in seinem sehr guten Twitter-Thread) sagt: Ich finde einfach nicht statt.
Durch die Reform werden Künstler zu zwei Dingen gezwungen:
1. In den großen Verwertungsgesellschaften mitzulaufen, wobei ich mich frage, wie Facebook wissen will, dass ich in der VG Wort bin, um von deren Lizenzverträgen zu profitieren (eigenes Thema, spricht Enno auch an, Stichwort »Altruismus«).
2. Selbst Verträge mit Google, Facebook und Amazon usw. abzuschließen. Und dann sitzt KleinKevin mit Google am Verhandlungstisch. Na, der wird sicher ganz tolle Konditionen bekommen …
In den meisten Fällen wird das aber bedeuten, dass kleinere Künstler einfach wieder nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Dass die »Großen« größer werden und sich ihre Position noch ein paar Jahre sichern, bevor sie dann endgültig verschwinden. Denn eine gute Digitalstrategie sieht leider ganz anders aus.
Für mich steht außer Frage, dass diese Reform aus purem Verwerterlobbyismus entstand, gepaart mit dem Unwissen über die Materie auf Seiten der Politik.
Und es gab gute Gegenentwürfe. Beispielsweise die »Digitalsteuer« auf online erwirtschaftete Werbeumsätze. Die hätte Google und Facebook fair getroffen. Die Steuer hätte zweckgebunden an die Verbände oder die KSK, die sie dann an Mitglieder verteilt, gezahlt werden können. Aber das Problem: Eine solche Steuer hätten auch die hiesigen Verwerter zahlen müssen. ;)
Grüße
Stephan
Wie wir jetzt wissen – erfolglos. Eine letzte Chance ist noch, dass die Länder die Sache im Europarat ablehnen, wenn ich das richtig verstanden habe. Aber davon gehe ich leider nicht mehr aus.
In der Diskussion dazu gab es von beiden Seiten (Befürworter und Gegner) viele gute Argumente und viel Desinformation. Gerade die Desinformation ist ein großes Problem. Oder wenn YouTuber ins Fernsehen (Maybrit Illner vom 28.3.2019 in der Mediathek, wen es interessiert) gezerrt werden und dann – zwar argumentativ im Kern richtig – in der tonalen Schublade von »das ist aber Scheiße« wühlen. Argumente sind leider oft nur so gut wie die Rhetorik desjenigen, der sie vorbringt.
Ich bezeichne mich selbst als Gegner der Reform. Nicht etwa, weil ich gegen das Urheberrecht bin – das Gegenteil ist der Fall. Aber die Reform tut leider nichts für das Urheberrecht. Geschütztes Material zu verbreiten war schon immer illegal. Bleibt es auch nach der Novelle. Daran ändert sich also nichts.
Warum feiern dann gerade die großen Verwertungsgesellschaften wie Verlagshäuser, VG Wort usw. diese Reform?
Ganz einfach: Ab jetzt verdienen sie wieder mit.
Ich unterstelle hier etwas, ich weiß. Aber bisher konnte mir noch niemand das Gegenteil beweisen. Bei dieser Reform geht es einzig und allein darum, die »Big Player« des »alten« Systems finanziell zu beteiligen. Nicht die Urheber, die Verwerter.
Hä? Stephan, das klingt jetzt wirklich sehr seltsam.
Spielen wir es durch.
Sagen wir, ich bin ein »Journalist« bei der Bild (und ja, die »« sind da gerechtfertigt). Ich bekomme also ein Gehalt und Bild per Vertrag die Nutzungsrechte an meinem Artikel. Die Urheberschaft erhält Bild nicht. Die Urheberschaft ist in Deutschland per Gesetz unveräußerlich. Wenn ich einen Artikel, Roman, Gedicht, Songtext usw. schreibe, bin ich der Urheber. Und wer das Ding außer mir noch nutzen und vervielfältigen/teilen möchte, muss mich für die Nutzungsrechte entlohnen.
Auftritt Internet. Ich schreibe also für Bild (schüttel). Bekomme mein Gehalt. Der Text – vermutlich irgend ein hassverseuchtes, am rechten Rand fischendes Hysterieding – wird auf der Webseite (die ich nicht verlinke) veröffentlicht. Alles tutti. Dafür wurde ich ja per monatlichem Gehalt bezahlt. Bild finanziert sich auch durch Werbung. Je mehr den Artikel lesen und klicken usw. Jetzt teilt jemand den Text auf Facebook. Da bekommt Bild kein Geld mehr. Doof für Bild und auch nicht richtig. Ich selbst merke davon aber nichts, hab ja mein Gehalt.
Das ist jetzt ganz rudimentär dargestellt. Natürlich gibt es noch zig andere Formen, wie Journalisten (diesmal gehen wir von echten aus) bezahlt werden. Per Zeile, auf Artikelbasis. Manche vielleicht sogar auf Klickbasis, was ich ihnen nicht wünsche, aber gibt es bestimmt.
Aber wenn man hinsieht, merkt man, dass nachdem der Artikel veröffentlicht ist, ja eigentlich nur noch die Verwerter daran verdienen. Hmmm.
Und die machen sich dafür stark, dass Google und Co. Lizenzen erwerben müssen, wenn sie Inhalte von ihnen teilen wollen. Klingt doch eigentlich fair. Das Problem: Die Urheber spielen in dieser Gleichung erst einmal keine Rolle.
Enno Park hat das wunderbar auf Twitter zusammengefasst. Ich will es hier noch einmal aufgreifen.
»Du machst Musik, schreibst usw. Wenn du davon leben wolltest, musstest du einen Verlag, ein Label oder einen anderen Content-Verwerter von deinem Werk überzeugen. Findest du keinen, findest du nicht statt. Nix mit Geld.«
So war es früher. Heute hat man die Möglichkeit, im Selfpublishing zu veröffentlichen. Man schaltet die Werbung selbst, kümmert sich um die Verbreitung, die Herstellung – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, aber so läuft es dann eben ab. Man ist seine eigene One-WoMan-Show.
Machst du gute Inhalte, wirst du (vielleicht) gesehen und geteilt. Deine Sachen werden gekauft, du verdienst Geld.
Das wird mit der Reform vermutlich deutlich schwieriger.
Durch die Reform werden Google und Co. direkt haftbar, wenn urheberrechtlich geschütztes Material auf ihren Seiten auftaucht. Klingt ja super, warum sollte man von KleinKevin Geld holen, wenn YouTube doch so viel mehr Kohle hat. Her damit!
Darum werden Google, Facebook und Co. sich Uploadfilter anschaffen. Wer will schon für KleinKevins Videos haften? Ich sicher auch nicht. Und dann zieht der Uploadfilter erst einmal jedes Posting durch sein engmaschiges Netz. Ist da ein Bild, das geschützt ist? Ein Stück Musik? Ein Zitat? Usw. Die Dinger werden nicht gut funktionieren. Denn, um zu funktionieren, brauchen sie ja das Referenzmuster, nach dem sie filtern können. Haben sie das nicht, erkennen sie auch die Urheberrechtsverletzung nicht. Das ist schon einmal ein Problem.
Wie die Lösung hierfür aussieht, konnte bisher noch keiner nennen.
Im schlimmsten Fall blocken sie einfach alles, wofür sie keinen Lizenzvertrag haben.
Im besten Fall übertragen sie die Haftung einfach per Nutzungsbedingungen auf KleinKevin.
Womöglich durchsucht der Filter aber auch einfach das Netz und blockt nach »bestem Wissen und Gewissen«.
Gehen wir mal von diesem Beitrag aus. Ich teile ihn auf Facebook und auf Twitter. Und vielleicht auch noch auf Instagram. Instagram und Facebook könnten noch wissen, dass hinter den beiden Accounts immer ich stehe. Aber Twitter sollte eigentlich nicht zwingend wissen, dass meine Profile zusammengehören. Also wird Twitter denken, dass ich ein urheberrechtlich geschütztes Dokument verbreiten möchte und es blocken. Die Lösung ist ja einfach: Der gläserne Nutzer. Alle Social Media Kanäle vernetzt und … DSGVO sagt Nein. ;)
Und das sind jetzt nur die großen Seiten. Ich möchte eine Leseprobe auf mehreren kleineren Diskussionsforen teilen? Das wird nicht klappen. Kleinere Foren könnten schon bald alle aussterben. Ich möchte Werbung mit dem Coverbild machen? Hmmm, doof, das Bild ist aus einigen Stockfotos – die ich gekauft habe – zusammengesetzt, aber der Filter kennt die Einzelbilder und lässt sich von einer Collage nicht austricksen. Das Cover wird immer gesperrt.
Niemand sieht mein Buch.
Niemand kauft mein Buch.
Wie Enno Park (in seinem sehr guten Twitter-Thread) sagt: Ich finde einfach nicht statt.
Durch die Reform werden Künstler zu zwei Dingen gezwungen:
1. In den großen Verwertungsgesellschaften mitzulaufen, wobei ich mich frage, wie Facebook wissen will, dass ich in der VG Wort bin, um von deren Lizenzverträgen zu profitieren (eigenes Thema, spricht Enno auch an, Stichwort »Altruismus«).
2. Selbst Verträge mit Google, Facebook und Amazon usw. abzuschließen. Und dann sitzt KleinKevin mit Google am Verhandlungstisch. Na, der wird sicher ganz tolle Konditionen bekommen …
In den meisten Fällen wird das aber bedeuten, dass kleinere Künstler einfach wieder nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Dass die »Großen« größer werden und sich ihre Position noch ein paar Jahre sichern, bevor sie dann endgültig verschwinden. Denn eine gute Digitalstrategie sieht leider ganz anders aus.
Für mich steht außer Frage, dass diese Reform aus purem Verwerterlobbyismus entstand, gepaart mit dem Unwissen über die Materie auf Seiten der Politik.
Und es gab gute Gegenentwürfe. Beispielsweise die »Digitalsteuer« auf online erwirtschaftete Werbeumsätze. Die hätte Google und Facebook fair getroffen. Die Steuer hätte zweckgebunden an die Verbände oder die KSK, die sie dann an Mitglieder verteilt, gezahlt werden können. Aber das Problem: Eine solche Steuer hätten auch die hiesigen Verwerter zahlen müssen. ;)
Grüße
Stephan